Zum 70. Geburtstag von Gabi und Peter Eyer

Die schönen Tage von Brégançon

Gabi und Peter Eyer

Unsere gemeinsamen Bekannten Evi und Rainer von Savigny hatten unsere beiden Familien auf getrennten Wegen nach Brégançon gebracht; wir waren 1980 dort und ihr, Hartmut und Inge, glaube ich ein Jahr später. An Pfingsten 1982 war es dann soweit, dass wir alle gemeinsam in Brégançon waren.
Was hat es mit diesem unbekannten Ort auf sich? Wo liegt er? Und warum hat es uns immer wieder dorthin gezogen?
Brégançon liegt so ziemlich auf der südlichsten Warze von Südfrankreich, am Westrand der Côte d‘Azur. Dort gibt es eine Domaine, ca. 100 ha groß, mit einem feinen Sandstrand und angrenzender Wildnis mit Steineichen, Pinien, Mimosen und mannshohen Bruyère-Büschen. Das wäre allein schon Zauber genug. Aber der wurde noch getoppt, weil wir dort die Erlaubnis bekamen, quasi wild zu zelten. Ihr, die ihr alle Hartmut und Inge kennt, versteht jetzt, dass man an einen solchen Ort nicht nur einmal hinfährt.
Wir trafen uns am Pfingstsonntag1982 um 10:40h an der Pforte des BKH in Günzburg, wo uns ein bärtiger, ernst dreinblickender Mann empfing. "Der schaut aber gar nicht so nett aus" raunten unsere Kinder und kamen erst aus der Deckung, als die lustige Inge mit ihren beiden Kindern auftauchte. Unsere Kinder hatten sich in Hartmut gewaltig getäuscht, wie bald festzustellen war.
Nach kurzer Beratung war uns allen klar, dass die erste Etappe bis in den franz. Jura führen muss, wo es auf ca. 1000 m Höhe einen traumhaften – natürlich wilden – Zeltplatz gibt, der anheimelnd an bayerische Almen erinnerte. Die Nacht war saukalt, das war sie auch in den weiteren 5 Jahren, was uns Wiederholungstäter aber nicht abhalten konnte. Es war jedenfalls immer wieder wunderbar, am nächsten Morgen festzustellen, dass man noch lebt und dass –wenn der Nebel sich hebt – ein Frühstück in der Sonne wahre Wunder des Vergessens zu zaubern vermag. Unsere Kinder haben es allerdings nicht so lange im Zelt ausgehalten und sich mit Ballspielen im taunassen Gras aufgewärmt. Die Klamotten sahen dementsprechend aus. Wir sollten die warmen Sachen aber während des ganzen Urlaubs nicht mehr brauchen. Also Friede, Freude, Eierkuchen.

Vom Jura aus haben wir die verschiedensten Wege nach Süden probiert und die zunehmende Wärme genossen. Dabei haben wir abenteuerliche Käsereien aufgesucht, z.B. in der Hochprovence eine wunderschöne Bergerie, die einen köstlichen Ziegenkäse hergestellt hat.

Wir haben weiterhin wild gezeltet, es gab romantische Fleckchen mit rauschendem Bach, heimelige Waldlichtungen oder Höhenrücken mit weitem Blick. Nach dem Abendessen wurde noch gesungen und – weil wir eigentlich immer Vollmondzeit hatten – auch der aufgehende Mond besungen. Hier hat uns Hartmut wunderbar mit der Gitarre begleitet und für jedes Kind eine neue Strophe erdacht. Spätestens jetzt waren die Kinderherzen endgültig erobert. Schließlich landeten wir am Ort unserer Sehnsucht und durften an der schönsten Stelle unter Pinien unser Zeltlager errichten. Hier wurden wir Mensch. Das Wetter hat es eigentlich immer gut mit uns gemeint und wir hatten ein seltenes Geschenk in Fülle, nämlich Zeit.

Wir haben eigentlich nichts Spektakuläres erlebt – oder doch? Wir kamen zur Besinnung und stellten fest, welch großzügiges Geschenk uns unsere Sinne liefern, wenn man in Ruhe auf sie hört: Die Tag- und Nachtigallen, die Grillen, das unterschiedlich rauschende Meer, die vielfältigen Gerüche, welche die Mittagssonne der südlichen Vegetation entlockt. Die vielen Signale, die unsere Haut empfängt, das Frösteln im Mistral, die feinen Stiche des sandigen Windes, das Erschaudern beim ersten Eintauchen in das noch kühle Meer, die dankbare Wiedererwärmung in der geschützten Sandkuhle.
Nach dem langen Frühstück ging’s morgens gemeinsam zum Strand, mit Strandstühlchen und Taschenbuch.

Gelegentlich machten wir auch Ausflüge in die benachbarte Bucht mit Felsen und herrlichen Gumpen, die zum Schnorcheln einluden

und eine paradiesische Nacktheit erlaubten.

Abends wurde dann gemeinsam gekocht, wir waren gut ausgerüstet und hatten uns aus Treibholz Tische und Bänke gezimmert.

Einmal wurde sogar ein selbst gefangener Fisch von Hartmut für die Buben zubereitet,

denn schließlich hatte Hartmut auch noch ein Boot dabei, auf dem die Buben oft mitgenommen wurden. Wenn allerdings kräftiger Wind aufkam, segelte der Skipper allein auf seinem „Aberdennoch“.

An den langen Abenden haben wir dann bei milden Temperaturen den Tag am Strand ausklingen lassen, später gab’s dann ohne die Kinder noch ein oder ein paar Gläser vom Rosée unseres Monsieurs.

Aber irgendwann gingen auch die schönen Tage von Brégançon vorüber und wir bereiteten uns auf den Abschied vor. Der Aufbruch war früh geplant, damit wir vor der nachmittäglichen Hitze den Süden hinter uns haben. Fast alles war eingepackt, nur Tobis Zelt stand noch, aus dem die Füße von Hartmut hervorschauten. Nichts passierte. Wir wurden ungeduldig. Was war los? In der Hektik war ein von Tobi gehegter Käfer zertreten worden. Der war zwar nicht mehr zu erwecken, aber die wunde Seele von Tobi musste gepflegt werden. Das war jetzt wichtiger als alles andere. Jetzt haben wir dem bärtigen, ernst dreinblickenden Mann auch tief in die Seele blicken dürfen.
Und wie ging’s weiter? Wenn der Sommer nicht mehr weit war, haben wir uns an Christi Himmelfahrt auf dem Töpfermarkt in Diessen getroffen und beim anschließenden Picknick eine neue Route nach Brégançon geplant. Dieses Mal war auch der Hund Maron dabei. Die Vorfreude war nicht nur uns Alten ins Gesicht geschrieben, sondern auch unseren Kindern.

So, jetzt kennt ihr unser Brégançon und versteht, warum es uns 5 Jahre hintereinander an den gleichen Ort gezogen hat.